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Von Toodeshk zurück nach Armenien

Nach den abenteuerlichen letzten Tagen in der Wüste brauchen wir erstmal etwas Entspannung. Es gibt einen allseits bekannten Ort im Iran von dem nahezu jeder Overlander spricht, an dem wir finden, wonach wir suchen: Das Tak-Taku Guesthouse. Es befindet sich zwischen Esfahan und der Wüstenstadt Yazd. Weil wir bereits in der Nähe sind, geht es nach unserem Wüstenabenteuer direkt dorthin. Es handelt sich um ein altes traditionelles Wohnhaus, das vom Besitzer Mohammad liebevoll restauriert wurde. Als wir es am Abend müde betreten, staunen wir nicht schlecht. Es ist sehr eindrucksvoll geworden. Sieht das Haus von außen sehr unscheinbar aus, da die Fassaden komplett geschlossen sind, so tut sich im Inneren eine herrlich bunte und pflanzenreiche Oase auf. Um einen Innenhof mit einem kleinen Wasserbecken herum erstrecken sich mehrere Wohnräume, ein offener Gemeinschaftsraum und eine Küche. Auch wenn man im Camper  vor der Tür schlafen kann, entscheiden wir uns für ein Zimmer, in dem wir es uns gemütlich machen. Todmüde fallen wir nach den letzten erlebnisreichen Tagen ins Bett und schlafen direkt ein.

Am nächsten Morgen treffen wir beim Frühstück im Gemeinschaftsraum auf die anderen Gäste. Im Preis von 50€ pro Nacht sind drei Malzeiten enthalten. Hier wird in traditioneller Manier eine Decke auf dem Boden ausgebreitet und dort gegessen. Wir lassen es uns schmecken und lauschen gespannt den Geschichten der anderen Reisenden. Margot ist 69 Jahre alt und mit ihrem Lada bis nach Pakistan gefahren. Seit ihrer Pensionierung hat sie immer wieder spannende Expeditionen unternommen, dazu Bestseller geschrieben und Filme gedreht. Irgendwie verrückt, dass wir vorher noch nichts von ihr gehört haben. Niels kommt aus Dänemark und ist Anwalt. Drei Jahre lang möchte er mit seinem Landcruiser unterwegs sein. Auch er will über Pakistan nach Indien. Der letzte im Bunde ist Martin, der in einem Rollstuhl sitzt und trotz seiner Einschränkung bis in den Iran gekommen ist.

Den Tag über faulenzen wir. Hier fühlt sich, bis auf das Ambiente, alles wieder europäisch an. Eileen darf ihr Kopftuch ablegen, wir können endlich wieder kurze Hosen anziehen. Es gibt eine vernünftige Dusche und ein europäisches WC, das wir wirklich sehr vermisst haben. Im Iran gibt es hauptsächlich orientalische Toiletten, solche bei denen man sich über ein meist offenes Loch knien muss. Am Abend kommt die Mutter von Mohammad vorbei und bereitet das Abendessen zu. Hier wird authentisch von der Mama gekocht. Nachdem wir es uns alle sattgegessen haben, nimmt uns Mohammad mit auf sein Grundstück in den Bergen. Hier machen wir ein Lagerfeuer, erzählen uns Geschichten und essen frischen Mais vom Grill, lecker!

 

Wir verbringen die Tage hier sehr entspannt. Mohammad bietet aber auch für jeden, der Lust hat, genug Programm an. So durchstreife ich mit den anderen das kleine Örtchen Toodeshk, in dem das Guesthouse liegt. Mohammad ist nicht nur ein ausgezeichneter Gastgeber, sondern auch ein ausgesprochen guter Fremdenführer. Er führt uns durch den Ort und erklärt uns spannende Details zu der Architektur der Lehmhäuser, zu den öffentlichen Gebäuden und zur Wasserversorgung. Außerdem verrät er uns das Geheimnis des Namens des Tak-Taku: „Tak-Taku steht für das Geräusch, das von den Türklopfern kommt!“. An jeder Tür hängen zwei verschiedene Klopfer und sie stehen für das Geschlecht der Person, die an der Türe klopft. Dies war wichtig um die Person richtig empfangen zu können. So haben meist Frauen den Frauen geöffnet und ebenso andersherum.“

Schon am Abend wartet ein weiteres Highlight auf uns: Es gibt frisches Kamelfleisch in Burgerform vom Grill. Während Eileen auf Grund ihrer vegetarischen Ernährung darauf verzichtet, kann ich es mir nicht nehmen lassen, einmal Kamel zu kosten. Der Burger ist sehr lecker. Dennoch fällt es mir sehr schwer einen speziellen Geschmack herauszuschmecken. Ich finde es schmeckt einem Rinderburger sehr ähnlich, dennoch bin ich über diese Erfahrung sehr dankbar.

Eines Abends sitzen wir zusammen im Gemeinschaftsraum, als Martin und Eileen sich die Flyer und das veraltete Logo des Guesthouse anschauen. Kurzerhand beginnen die beiden für Mohammad ein neues Logo zu entwerfen. Sie tüfteln und jeder Gast gibt ein klein wenig Input dazu. Am Ende finden wir alle, dass das neue Logo sehr schön geworden ist. Natürlich überarbeiten die beiden dann noch den Flyer. Eileen und ich setzten unsere Architekturkenntnisse ein und beginnen  die neue Camp Area zu planen, die Mohammad für Overlander gestalten möchte. Insgesamt 5 Tage verbringen wir hier, bis wir das Guesthouse verlassen um die Wüstenstadt Yazd zu entdecken.

 

Zuvor haben wir uns lange überlegt, ob wir diese Stadt noch besuchen. Auch wenn Yazd als eine der ältesten und schönsten Wüstenstädte des Irans gilt, so machen wir uns wegen der Unruhen im Land Sorgen. Mohammad beruhigt uns jedoch wieder soweit, dass wir uns dafür entscheiden den kleinen Umweg auf unserem Rückweg nach Armenien in Kauf zu nehmen. Innerhalb von 3 Tagen wollen wir in den Osten nach Yazd, danach wieder zurück ins Tak-Taku. Dafür zeigt Mohammad uns einen tollen Weg durch die Wüste, abseits der Hauptroute, auf dem einige Sehenswürdigkeiten liegen, die wir nicht verpassen sollen.

Zunächst geht es in die Stadt Meybod. Hier gibt es eine alte Wüstenfestung aus Lehm, die vor über 2000 Jahren gebaut wurde und dessen Architektur uns sehr beeindruckt. Nach einem leckeren Mittagssnack in einer altertümlichen Karavanserei schlendern wir durch die alte Ruine bis hinauf auf das Dach, von dem man einen weiten Blick über die Stadt hat.

Danach biegen wir auf eine Wüstenstraße ab und fahren zu einem alten Zarathustra-Schrein. Rund 7 Prozent der Iranischen Bevölkerung übt heute diese Religion aus. Der Schrein befinden sich mitten im Nirgendwo und ist an einem Berghang errichtet. Wer sich eine alte Tempelanlage vorstellt, der täuscht. In den Fels ist ein modern wirkender, mit grünem Licht ausgeleuchteter Raum geschlagen. Highlight ist ein Baum, der zwischen den Felsen emporragt. Wer den Schrein betritt, muss darauf achten, die Schuhe auszuziehen. Außerdem ist es Frauen untersagt, während ihrer Periode, den Raum zu betreten. Umhauen tut uns der Schrein nicht, doch der Schlafplatz etwas abseits in einem ausgetrockneten Flussbett ist umso schöner. Hier draußen in der Wildnis ist es absolut still, nur die asynchronen Rufe der Schakale durchbrechen ab und an die tiefe Ruhe.

Am nächsten Morgen wartet ein weiteres Highlight auf dem Weg: die alte Stad Karanaq. Es handelt sich um die Ruinen einer verlassenen Wüstenstadt. Die teilweise zerfallenen Gebäude aus Lehm lassen sich heute zu Fuß erkunden. Während wir durch die engen verwinkelten Stadtstrukturen laufen, katapultiert sich der Ort ganz schnell hinauf in die Top 3 meiner Lieblingsorte im Iran. Genau so habe ich mir eine alte Iranische Stadt vorgestellt. Keine moderne Straßen, orientalisch wirkende Gebäude, oder zumindest das, was davon übrig ist. Man könnte fast meinen, man wäre in der Galaxie falsch abgebogen und in Tatooine gelandet.

Nachdem wir nun 3 Zwischenstationen gemacht haben, zeichnet sich plötzlich in der Ferne der Umriss einer weiteren Stadt wieder: Da ist endlich unser Ziel, die Wüstenstadt Yazd! Bevor wir uns jedoch ins Getümmel stürzen, schauen wir uns außerhalb die Türme des Schweigens an. Was es wohl mit diesem besonderen Titel auf sich hat? Es handelt sich um eine alte Begräbnisstätte. Da der Großteil der Bewohner von Yazd an Zarathustra glaubte, wurden die zwei Türme errichtet. Diese dienten zur Himmelsbestattung, so wie es dem Glauben nach üblich war. Die Toten wurden über die beeindruckenden Treppen hinaufgetragen. Auf der oberen offenen Plattform des Turms gibt es eine Grube, in die die Leichen anschließend geworfen wurden. Die Geier übernahmen den Rest. Somit werden, dem Glauben nach die vier heiligen Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer nicht verschmutzt. Um zusätzlich eine Ausbreitung von Seuchen zu vermeiden, mussten die Totengräber hier außerhalb der Stadt leben. Neben den Türmen gibt es demnach noch deren Unterkünfte und große Gebetshallen.

Nach dem wir die beeindruckende Anlage bestaunt haben, geht es endlich in die Stadt. Was direkt auffällt ist, dass diese Großstadt etwas anders ist, als die, die wir bis jetzt im Iran besucht haben. Hier gibt es viel mehr Lehmhäuser, Palmen schmücken das Stadtbild und immer wieder ragen sogenannte Windtürme in die Höhe, die in den heißen Regionen für Abkühlung der Gebäude oder des Wasservorrats sorgen. Zielsicher navigieren wir zum Silk-Road Hotel. Das Hotel ist bekannt unter Overlandern und auch Mohammad hat es uns empfohlen, denn hier kann man auf dem Parkplatz campieren und ist sicher. Wie es der Zufall will, treffen wir dort angekommen auf einen bekannten Camper: Der weiße Mercedes-Bus von Martin, den wir zuvor im Tak-Taku kennenlernen durften. Während wir George neben seinem Bus parken biegt er schon um die Ecke. Er ist mindestens so überrascht wie wir und so entschließen wir, den restlichen Tag gemeinsam zu verbringen.

Es geht in Richtung Zentrum, denn hier wartet der wunderschöne Amir Chakhmaq Komplex auf uns. Dieser ist eines der beliebtesten Iran Postkartenmotive und wir wissen auch direkt warum. Der alte Komplex, der einst als Unterbringung für Karawanen diente, bildet einen großen Platz, der nun mit großen Wasserbecken versehen ist. Das Hauptgebäude ist farbenfroh und verziert. Der Baukörper, der hautsächlich aus Bögen besteht, wird von zwei hohen Türmen abgeschlossen, die immer wieder die landestypische Farbe Türkis herausscheinen lassen. Ein wirklich toller Ort. Direkt im Torweg dieses Gebäudes an der prominentesten Stelle ist nicht etwa ein Museum oder ein Gebetstraum, sondern es gibt einen kleinen Imbiss, der Kebab anbietet. Für viele Iraner bestimmt genauso wichtig. Martin und ich holen uns jeweils einen Spies, der zuvor Frisch vom freundlichen Mitarbeiter bestückt worden ist und stärken uns für die weitere Stadterkundung.

Gegenüber des großen Platzes liegt unser nächstes Ziel, das Wassermuseum der Stadt. Leider ist der Eingang nicht barrierefrei gestaltet und so kann Martin nicht mit hinein. Er besteht jedoch darauf, dass Eileen und Ich uns das Museum anschauen und so machen wir eine schnelle Runde durch das kleine Gebäude mit großem Innenhof. Der Besuch lohnt sich nicht wirklich, denn etwas nenenwertes zu berichten gibt es hierüber aus meiner Sicht nicht. Da haben mir Mohammads lebhaften Erzählungen über die Wasseraufbereitung während der Stadtrundführung in Toodeshk deutlich besser gefallen.

 

Von dort aus geht es in die Altstadt. Hier sieht es immer mehr nach Wüstenstadt aus. Die Häuser bestehen hauptsächlich aus Lehm, kaum Autos gibt es in den Gassen – zur großen Freude von mir. Meine Romantische Vorstellung von Städten, wie aus Aladin oder 1001 Nacht, wurde meist durch die unzähligen Straßen und Autos zerstört. Findet man jedoch solche ruhigeren Abschnitte, so wirken die Stadtteile beinahe wie aus dieser Fantasie entsprungen.

Am Abend meint Martin: „Kommt mit, ich muss euch unbedingt etwas zeigen, es lohnt sich!“. Er führt uns zurück zum Amir Chakhmaq Platz und hinein in eine Seitengasse. Eine kleine unscheinbare Tür ist unser Ziel. Mehrere Schilder preisen ein einmaliges Erlebnis an. Hinter der Tür befindet sich ein kleiner Tisch an dem man ein Ticket kaufen kann, rechts davon führen Treppen hinunter. Auf was lassen wir uns hier ein? Gemeinsam mit dem Ticketverkäufer tragen wir Martin in seinem Rollstuhl hinunter und landen in einem kreisrunden Raum. An den Wänden befinden sich kleine Tribünen für Zuschauer, in der Mitte gibt es einen Versatz nach unten. Es wirkt beinahe wie eine kleine Arena. Am anderen Ende des Raums befindet sich ein Hochsitz, in dem sich zwei Menschen befinden. Ein Trommler und ein Sänger. Die beiden erzeugen orientalische Klänge, während unten in der Arena mehrere Sportler mit einer Art Keule herum hantieren. Die Keule wird immer wieder in Kreisbewegungen über die Schultern geschwungen. Nach kurzer Zeit werden die Keulen abgelegt und es wir im Kreis akrobatisch getanzt. Dabei stellt sich ein Sportler in die Mitte während ihn die anderen anfeuern. Als nächstes werden schwere Holzschilde geholt. Die Sportler legen sich auf den Boden und heben die Schilde mehrmals hoch und senken sie wieder ab. Als letztes gibt es eine Art Bogen. Dort wo die Sehne sitzen würde ist eine Kette mit metallischen Schellen gespannt. Im Takt der Musik werden diese Bögen über dem Kopf mit ausgestreckten Armen hin und her bewegt. Was für ein Spektakel. Wir erfahren, dass es sich um eine der ältesten Sportarten der Welt handeln soll. Persische Krieger sollen diese Übungen gemacht haben, um sich fit zu halten. Als das Spektakel vorbei ist, möchte ich auch mal ran. Glücklicherweise darf ich alles einmal ausprobieren und ich kann nur eins sagen, was von außen so lächerlich einfach aussieht, ist unglaublich ansträngend. Die Keulen, Schilder und Bögen wiegen eine Menge. Beeindruckt verlassen wir den Ort wieder. Martin hat uns wohl nicht zu viel versprochen, es hat sich wirklich sehr gelohnt.

Gemeinsam geht es zurück zum Silk-Road Hotel, in dem wir noch den Abend ausklingen lassen und zusammen essen. Auch dieses Hotel ist im traditionellen Stil und im Innenhof lässt es sich angenehm sitzen. Wir quatschen über die unterschiedlichsten Dinge, lassen uns das gute Essen schmecken und auch hier dürfen wir eine kleine Portion Kamelfleisch probieren, diesmal als eine Art Gulasch. Auch diesmal schmeckt es sehr lecker, aber den Unterschied zum Rind kann ich immer noch nicht herausschmecken.

 

Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen von Martin, denn wir machen uns nun endgültig auf den Rückweg. Zügig soll es nun zurück nach Armenien gehen. Inzwischen wurden auch ein Gruppe Touristen festgenommen, da sie laut Aussage der Regierung an Protesten teilgenommen haben sollen. Auch wenn wir diese Nachricht nicht überprüfen können und nach wie vor keine persönliche Erfahrung von Protesten gemacht haben, lässt das natürlich ein flaues Gefühl im Magen.

 

Es geht zurück ins Tak-Taku, indem wir noch für eine Nacht schlafen und uns von Mohammad verabschieden wollen. Er ist uns inzwischen ans Herz gewachsen. Auch wenn man sich zunächst an seine spezielle und sehr körperliche Art gewöhnen muss, so steckt doch ein herzensguter Mensch in ihm. Inzwischen sind neue Gäste hier, unter anderem Martin und Betty aus Bayern in ihrem UAZ Buchanka, mit denen wir uns auf Anhieb gut verstehen. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir die beiden sehen, so viel sei vorweggenommen.

Danach geht es zielgerade Richtung Grenze, doch es stehen noch zwei Treffen auf dem Weg aus. Das erste ist außerhalb von Teheran, wo wir uns mit Carsten und Heike verabredet haben. Die beide stehen seit mehreren Tagen auf dem Parkplatz des Shah Abdul-Azim Schrein, auf dem wir damals auch geparkt haben. Die beiden haben wir bereits in Armenien im 3G’s kennengelernt und sind seitdem mit ihnen in Kontakt geblieben. Sie reisen in einem großen Mercedes Actros LKW und sind wirklich nicht zu übersehen. Freudig werden wir abends empfangen und setzten uns gemeinsam vor den LKW um zu Abend zu essen, als ganz plötzlich ein PKW vor uns hält. Ein junger Mann und ein älterer steigen aus und kommen freudig auf uns zu. In typischer iranischer Manier wird direkt auf uns losgeredet, unabhängig davon, dass wir uns hier gerade unterhalten. Auf gutem Englisch fragt der junge Mann, wie es uns geht und ob wir aus Deutschland seien. Wir Antworten ihm nett und der Mann beginnt über den LKW zu sprechen. „Ist das ein Mercedes? Mein Vater hat jahrelang Mercedes repariert! Ist das Modell ein Actros?“ Carsten, der erst vor wenigen Minuten erwähnt hat, dass die Iraner, auch wenn Sie nett sind, oft nicht merken, dass man gerade nicht in der Stimmung für Konversation ist, antwortet „Ja, das ist ein Actros. Es tut mir leid, aber wir führen hier gerade ein Gespräch und hätten gerne unsere Ruhe!“ „Aha ok“ antwortet der Mann und fügt dann jedoch hinzu „also genau genommen möchte ich über die Kupplung sprechen, wissen Sie welche Kupplung verbaut ist?“, während er sein Handy auspackt und irgendein Youtube-Video über eine Kupplung anmacht. Wir können uns ein Lächeln kaum verkneifen, das ist einfach der Iran. Wir schaffen es dann doch die Neugierigen freundlich abzuwimmeln und den Abend ohne weitere Unterbrechung ausklingen zu lassen.

Nach dem Frühstück geht es weiter zu unserem nächsten Treffen. Livia und Dominic, beides Schweizer, haben uns bereits vor mehreren Wochen über Instagram angeschrieben. Damals waren wir gerade drauf und dran die iranische Grenze zu überqueren. Die Beiden wollten Infos zur Prozedur. Seit dem waren wir in Kontakt und nun sind die beiden tatsächlich seit einer Woche im Iran. Natürlich kommen wir da nicht an einem Treffen vorbei und so verabreden wir uns in einer kleine Stadt vor Qazvin. Wir gehen gemeinsam Essen und verstehen uns auch mit diesen Beiden auf Anhieb sehr gut. Kurzerhand entschließen wir uns, die Nacht gemeinsam zu verbringen, und so haben wir noch einen schönen Abend mit den beiden Schweizern mit angenehm, interessanten Gesprächen.

Nur noch ein Zwischenstopp trennt uns von der Grenze: Tabriz. Wir schlafen erneut auf dem Parkplatz, auf dem wir damals mit den Belgiern Patrick und Katrin im 90er Defender schliefen. Ich muss zugeben, für mich ist es eine angespannte Nacht. In Tabriz sollen schon einige Proteste stattgefunden haben. Der Park, an dem wir stehen, ist gut belebt. In meinem Kopf spielen sich verschiedene Bilder ab, während wir im Bett liegen, wie wir plötzlich mitten im Protest aufwachen. Immer wieder schrecke ich bei lauten Stimmen aus dem Schlaf. Sagen wir so, es ist nicht meine beste Nacht im Iran und ich bin sehr froh, als wir am Morgen ohne Zwischenfälle wieder aufwachen.

 

Es gibt ein letztes Mal frisches Brot vom Bäcker. Hier hat sich eine große Schlange an Menschen gebildet. Das Brot kostet umgerechnet etwa 0,2ct und kommt direkt aus dem Ofen. Wie ein Laib darf man sich das Brot im Iran jedoch nicht vorstellen. Es ist eher ein Fladen. Der Teig wird langezogen in den Ofen gesteckt und anschließend nach ein paar Minuten ofenfrisch herausgeholt. Lecker!

In einem Stück fahren wir 3 Stunden von Tabriz durch phänomenale Natur zur Grenzstadt Norduz. Da es Nachmittag ist, entschließen wir uns erst am Morgen die Grenze zu überqueren und so lassen wir uns auf einem Parkplatz vor einer kleinen Moschee nieder. Hier stehen mehrere Gebäude, in dem man für wenig Geld ein Zimmer zum Übernachten mieten kann. Stellt euch ein klassisches amerikanisches Motel vor. In so etwa ist der Gebäudekomplex aufgebaut. In der Mitte ist die kleine Moschee und der Platz ist überflutet von Menschen, denn scheinbar ist wiedermal ein religiöser Feiertag. Sie wirken alle etwas bescheiden. Teilweise machen es sich die Familien mit Decken auf dem Boden bequem und trinken Tee, während an der nächsten Hausecke kleine Kinder gegen die Wand pinkeln, inmitten der Menschenmasse – keiner sagt etwas, völlig normal hier.

 

Als es dunkel wird und wir uns in George zurückziehen um schlafen zu gehen, erklingt laut die Stimme des Muezzins aus Lautsprechern, kurz darauf stimmen Kojoten mit ihrem schrägen Geheul ein. Irgendwie ein schöner Abschied von uns.

Noch vor dem Wecker werden wir wach und machen uns aufgeregt zur Grenze. Wir sind überpünktlich und so gut wie alle Schalter haben noch zu. Wir müssen also etwas warten. Nur langsam läuft hier der Betrieb an. Beim Warten treffe ich auf einen Biker, der aus Belarus kommt. Mit ihm tausche ich unsere restlichen Rials gegen Dollar und plötzlich holt er eine GoPro heraus. Er ist scheinbar ein sehr bekannter Youtuber. Ich bewundere ihn jedoch eher für seinen Mut (oder seinen Leichtsinn) an der Grenze mit einer GoPro zu Filmen. Wegen einer solchen Kamera sind schon andere im Iranischen Gefängnis gelandet. Doch er ist sehr entspannt, als ich ihm das sage. „Ich war schon einmal hier und hatte keine Probleme!“. Nun gut, denke ich mir, jeder ist seines Glückes Schmied. Die Ausreise verläuft ohne Probleme. Das Carnet wird erneut abgestempelt und wir dürfen nach 1,5h auf der iranischen Seite passieren. Unglaublich, uns fällt ein riesen Stein vom Herzen, als wir die Brücke zur armenischen Seite überqueren. Hier brauchen wir natürlich deutlich länger, doch das ist uns egal.

 

Wir sind zurück aus dem Iran. Das mulmige Gefühl, das uns stets begleitet hat, war umsonst. Uns ist nichts passiert. Wir blicken zurück auf 5 wundervolle Wochen im Iran mit ausschließlich schönen Momenten und Begegnungen. Der Iran ist ein unglaublich tolles Land, in dem es so viel zu Erleben gibt. Ganz besonders die Menschen haben es uns angetan. Die Iraner gehören mit Abstand zu den freundlichsten Menschen der Welt – viele bitterarm und dennoch haben sie so viel zu geben. Wir können nichts anderes als DANKE sagen, für diese wundervolle Erfahrung und wir möchten unsere Bewunderung aussprechen für die Menschen, die täglich ihr Leben riskieren, indem sie auf die Straße gehen, ihr Kopftuch nicht tragen oder die Nationalhymne verweigern. Wir hoffen sehr, dass diese Menschen erfolgreich sein werden und wir den Iran irgendwann wieder als ein Land der Freiheit und nicht der Unterdrückung bereisen können. In Gedanken sind wir bei euch! Frauen, Leben, Freiheit!

gez. Alex

...hier siehst du unsere gesamte Route.



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Kommentare: 1
  • #1

    Husemann, Hannelore (Dienstag, 07 Februar 2023 15:51)

    Durch den mühevollen Bericht mit Bildern habe ich eine interessante Info Übersicht und Einblick bekommen.
    Dankeschön an euch und das ihr alles gut überstanden habt.