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Zurück in die Heimat

„Schau mal, das sind auch Deutsche!“, sagt eine Stimme vor George. Deutsche Overlander trifft man unterwegs gefühlt überall. Eben auch an der Fähre, die uns zurück in die Türkei bringen soll. Drei spannende Wochen in Zypern liegen hinter uns. Nun lernen wir am Hafen Alina und Golo mit ihrer Hündin Wella, sowie Thomas kennen. Die vier waren ebenfalls in Zypern unterwegs. Gemeinsam warten wir bis wir mit unseren drei Autos in den weit aufgerissenen Maul des Schiffs fahren können, das uns zu unserem persönlich letzten Abschnitt dieser Reise bringen soll, der Heimfahrt.

Frühstückszeit

 

Bei Morgengrauen erreichen wir das türkische Festland. Viele Menschen drängen sich an die Schalter. Das Grenzprozedere dauert wieder etwas länger und so stellen wir uns lieber an die Seite und plaudern. Alina und Golo sind etwas jünger als wir, gemeinsam mit Wella Reisen Sie in einem blauen T5. Thomas ist frisch in der Rente, hat einen provisorisch ausgebauten VW-Caddy und glänzt mit Geschichten aus seiner ehemaligen Zeit als Grenzpolizist im Osten von Deutschland. Da wir alle uns so nett unterhalten beschließen wir gemeinsam zu Frühstücken, nachdem sich die letzten Stempel in unseren Pässen befinden und wir die Grenze endlich passieren dürfen.

 

Es geht in ein nahgelegenes Hotel mit einer Terrasse, die aufs Meer Blicken lässt. Wie in der Türkei üblich, wird unser Tisch geflutet mit allen möglichen Köstlichkeiten, die nur darauf warten von uns verspeist zu werden. Wir essen uns kugelrund, dann verabschiedet sich Thomas als erster. Alina, Golo und Wella blieben jedoch noch bei uns. Wir entschließen die nächsten Tage gemeinsam in Richtung Westen zu fahren. Zunächst trennen wir uns aber für kurze Zeit.

Während die Anderen Einkaufen fahren, möchten wir gerne noch bei Elif vorbeischauen. Bei ihr ist Eileen untergekommen, während ich George in der Werkstatt von Hakan bei Kappadokien reparieren lassen habe. Als wir auf das Grundstück fahren, ist Sie gerade mit der Olivenernte beschäftigt. Sie freut sich sehr uns zu sehen. Wir verbringen den Nachmittag gemeinsam mit ihr, ihrer Familie und Hunden auf dem schönen natürlich wilden Grundstück, das voller Olivenbäumen ist. Danach zieht es uns wieder ans Meer, wo kurze Zeit später Alina und Golo wieder zu uns stoßen. Gemeinsam verbringen wir die Nacht in einer schönen Bucht, in der wir bereits vor unserem Zypernabenteuer übernachtet haben und sitzen bis spät in die Nacht gemütlich am Lagerfeuer.

Sticheleien

 

Unweit von Alanya liegt das nächste Ziel zu dem wir erneut gemeinsam aufbrechen. Unsere Freunde Roxy und Felix (@henrylebt) haben uns ans Herz gelegt, in einer alten Piratenbucht vorbeizuschauen, die auf dem Weg liegt. Vor allem sollen wir uns dort ja nicht den Sonnenuntergang entgehen lassen. Bei so vielen Lobeshymnen kommen wir gar nicht daran vorbei, hier einen halt zu machen. Allein der Weg zu der Bucht ist schon ein Highlight. Sie liegt an einer steil herabfallenden Küste, an der Bananen angebaut werden. Durch die Plantagen schlängelt sich ein enger Weg hinab, an dem immer wieder Seilzüge mit kleinen kistenförmigen Plattformen, die wohl zum Transport der Bananen sind, hängen. Unten angekommen, geht es wieder ein kleines Stück nach oben, dann stehen wir auf einem überschaubaren, mit Schotter versehenen Parkplatz.

 

Die Sonne ist dem Horizont schon sehr nah. Von hier oben lässt sich bereits in den rechten Teil der Bucht schauen. „Wow, das Wasser ist kristallklar“, werfe ich Eileen zu. Schnell machen wir uns auf den Weg nach unten. Ein steiler unbefestigter Weg führt uns in den linken Teil der Bucht. Diese ist vom Rest des Meeres durch einen weiteren Berg getrennt, der eine Öffnung besitzt, die sich wie ein Tor zum Meer öffnet.

 

Leider sind wir wohl nicht die einzigen, die auf die Idee gekommen sind, um diese Uhrzeit hier herzukommen. In der kleinen Bucht sind gut 20 Menschen, die sehnsüchtig auf den Sonnenuntergang zu fiebern. Wir setzten uns auf einen freien Felsen und nach kurzer Zeit ist es dann auch soweit: Die Sonne erscheint hinter dem Felsen in der oberen Ecke der Öffnung und flutet die Bucht mit ihren Lichtstrahlen. Gemeinsam mit dem türkisenen Meer verschmilzt das Licht zu einem wunderschönen Bild. Immer tiefer sinkt die Sonne, bis sie den Horizont berührt, langsam hinter ihm verschwindet und mit ihrem rot-orangenen Farbenspiel nochmal alles aus dem Moment herausholt. „Das war schön!“ meint Eileen und ich nicke stumm.

 

Am nächsten Morgen ist die Bucht wie ausgewechselt. Keine Menschenseele ist hier. Diese Chance nutzen wir, um im Meer schwimmen zu gehen. Das Wasser ist herrlich kühl und wir schwimmen durch den Torbogen hinaus aufs Meer und in die rechte Bucht hinein. „Aua“ denke ich mir. Immer wieder fühlt es sich an, als würden wir leicht gebissen oder gestochen werden. Im Meer ist aber nichts zu sehen. Erst später, als wir wieder nach Oben zum Parkplatz steigen, sehen wir im Schein der Sonne auf der Oberfläche des Wassers etwas wie Fäden glänzen. „Bestimmt handelt es sich um Quallenfäden!“ meine ich zu den Anderen.

Werkstattodysee

 

Zügig geht es weiter in Richtung Westen und wir verbringen noch einen letzten gemeinsamen Tag mit Alina, Golo und Wella. Die Gegend verblüfft uns mit ihren unzähligen weißen Gewächshäusern,     die hier aneinandergereit sind. Es werden exotische Früchte wie Bananen angebaut, aber auch Palmen, für Palmöl.Teilweise findet man  mehr Gewächshäuser als Einwohner in den kleinen Dörfern vor, die sich bis tief ins Festland ziehen.

 

In Gazipasa erkunden wir einzigartige Versteinerungen an der Küste, die sich aus Sand, Kiesel und Karbonatzement verbunden haben und parallel zum Meer versteinert sind. Es wirkt beinahe wie Wellen aus Stein und sieht sehr beeindruckend aus. Außerdem bilden sich so auch kleine Pools, in denen man sich entspannt in das durch die Sonne aufgewärmte Wasser legen kann. Neben diesen einzigartigen Formationen finden wir noch wilde Avocados bei einem Spaziergang auf einer Anhöhe. Dann bricht auch schon der letzte Abend mit den dreien an und wir betrachten gemeinsam den wunderschönen Sonnenuntergang an der Küste.

Früh am nächsten Morgen verabschieden wir uns und der Teil unserer Reise, den ich liebevoll Werkstattodysee benannt habe, beginnt. Seit einigen Wochen zieht George beim Bremsen nach rechts. Auf Dauer geht das wirklich auf die Nerven und wäre bei einer extremen Vollbremsung wirklich gefährlich. Da die Werkstätten in der Türkei meist nur ein Bruchteil der deutschen Preise aufrufen, die Arbeit aber dennoch sehr sauber und gut ist, macht es natürlich Sinn, das Problem hier anzugehen. Also machen wir uns auf die Suche nach passenden Werkstätten auf dem Weg nach Izmir. Am Ende werden es insgesamt fünf sein. So wie es sich anfühlt, verbringen wir jeden Tag in einer anderen Werkstatt.

 

Los geht es in Alanya. Dort wechseln wir die vorderen Bremskolben. Dann werden auch die hinteren Bremskolben getauscht und überholt. Die hintere Achse bekommt eine neue Dichtung und die Kardanwelle neue Kreuzgelenke. Mit allen Teilen und sechs Stunden Arbeitszeit zahlen wir 160€. In Deutschland hätten wir hierfür gut 600€ zahlen müssen. Leider merken wir erst Unterwegs, dass das Problem damit nicht behoben wurde.

140 Kilometer weiter, in Antalya dann der nächste Versuch. George bekommt neue, verstärkte Buchsen. Die alten waren wirklich schon durch. Bei der Probefahrt in der Stadt scheint alles behoben. 30€ zahlen wir für den Wechsel, ein Preis von dem man in Deutschland nur träumen kann. Sobald wir wieder auf einer größeren Straße sind, auf der man schneller fahren darf, merken wir, dass sich beim Bremsen leider nichts geändert hat. Die zweite Werkstatt, die wir in Antalya ansteuern, kann uns erst einen Termin in einer Woche anbieten. Da wir zügig wieder nach Griechenland wollen, um an Weihnachten wieder zu Hause zu sein, fahren wir kurzerhand weiter nach Izmir.

Nachtschicht

 

Obwohl es schon 20 Uhr ist, als wir ankommen, treffen wir auf Bayram, der eine kleine Werkstatt führt. Land Rover sind sein Spezialgebiet. Er schaut sich George genau an und stellt fest, dass das linke vordere Rad von George etwas schief steht. Das obere Lager des Achsschenkelgehäuses muss kaputt sein. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Hakan in Kappadokien, der die Achsschenkelgehäuse getauscht hat. Er meinte, das alte Lager sei noch gut und er würde es wieder einbauen. Leider war dies in dem Fall wohl eine Fehleinschätzung. Das Gehäuse muss erneut komplett zurückgebaut werden um das defekte Lager zu erneuern. Bayram arbeitet für uns bis tief in die Nacht.

 

Auch wenn er ein guter Mechaniker ist, fühlen wir uns mit fortlaufender Zeit dennoch immer unwohler bei ihm. Gegen 22 Uhr kauft er eine Flasche Whiskey, die er Stück für Stück leertrinkt. Er wird immer betrunkener, grölt herum, raucht, lallt. Ich beobachte ihn bei seinen Arbeiten kritisch, ob er einen Fehler macht. Doch obwohl er sich gerade aus dem Leben schießt, arbeitet er exakt und gut. Am Ende ist um ein Uhr die Flasche bis auf einen viertel ausgetrunken und George glücklicherweise fertig. Wir bezahlen einen für die Türkei sehr hohen Preis und sind froh, dass wir von dannen ziehen können.

Am nächsten Morgen sind wir aber dennoch wieder hier. Unser Problem ist immer noch da. Die Spur soll nun noch eingestellt werden. Als wir zu Bayram hinauf in sein Büro kommen, müssen wir schlucken. Er sieht gar nicht gut aus. Scheinbar hat er nicht geschlafen. Die leere Whiskyflasche steht auf dem Tisch. Dennoch schickt er mich eine Werkstatt weiter, wo die Spur von George eingestellt wird. Als ich wieder zurückkomme, wartet Eileen schon sehnsüchtig auf mich. Bayram hat sie mit Geschenken überhäuft. Wir bekommen verschiedene Bilder von Atatürk und eine große Uhr mit Land Rover Logo aus seinem Büro geschenkt. Als wir die Dinge ablehnen wollen, wird er sehr wütend. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, nehmen wir die Gegenstände dankend an und fahren schnell weiter. Eileen erzählt mir, dass er ihr Küsse zugeworfen hat und sie ‚sweet‘ genannt hat. Ich kann es kaum fassen.

Kaufrausch

 

Auch das Problem bei George ist nicht verschwunden. Wir versuchen es noch in einer letzten Werkstatt etwas außerhalb von Izmir, doch hier ist bereits Wochenende. Nach fünf Werkstätten in vier Tagen geben wir uns geschlagen. George hat einige Reparaturen bekommen, die dringend nötig waren und nur ein Bruchteil von dem gekostet haben, was ich in Deutschland hätte zahlen müsste. Etwas Frust bleibt am Ende dann natürlich doch, dass das eigentliche Problem nicht behoben wurde.

 

Was hilft am besten gegen Frust? Richtig, Shoppen! Kurz hinter Izmir gibt es unzählige Outlet-Stores, in denen es Markenkleider und -schuhe zu günstigsten Preisen gibt. Da ich mir die letzten drei Jahre kaum neue Klamotten und Schuhe gegönnt habe, kaufe ich hier drei Paar Sneakers für 90€ und für 100€ 11 Klamotten, unter denen zwei Pullis, drei Hosen und vier Shirts sind. Diese Preise hier sind einfach unglaublich.

Unsere kurze Zeit in der Türkei endet erneut in Cesme. Wir nehmen die gleiche Fähre die wir auf dem Hinweg genommen haben wieder zurück nach Chios und sind am 12. Dezember zurück in der EU. In Chios genießen wir eine letzte Nacht an einem Strand, der komplett menschleer ist. Am nächsten Tag genieße ich das letzte Bad der Reise im Meer, bei erfrischenden Temperaturen. Schon als es dämmert, sitzen wir in der nächsten Fähre, zurück nach Athen.

Umwege

 

Nach neun stündiger Überfahrt erreichen wir Athen, wo wir wieder bei meinen Großeltern in einem Stadtteil von Athen unterkommen. Ab hier haben Eileen und ich unterschiedliche Pläne. Während ich an Weihnachten wieder zuhause sein möchte, möchte Eileen gerne noch etwas in Griechenland bleiben und hat sich eine Olivenfarm in der Nähe von Kalamata ausgesucht, um hier etwas zu Arbeiten und den Winter zu verbringen. Ich bringe Sie zum Busbahnhof von Athen, wo wir uns innig verabschieden. Es fühlt sich komisch an, den letzten Teil der Reise alleine anzutreten. Meine Fähre soll in 3 Tagen Richtung Italien ablegen, doch wie es das Schicksal will, hat das Leben andere Pläne für uns.

 

Während meiner Zeit bei meinen Großeltern, geht es meiner Oma plötzlich schlecht und muss kurzzeitig ins Krankenhaus. Spontan buche ich die Fähre um, damit ich noch ein paar Tage dort verbringen und ihr helfen kann. Währenddessen muss Eileen feststellen, dass es auf der Olivenfarm ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt hat. Außer ihr ist dort niemand anderes. Die Farm ist in einem kleinen Ort, der sehr abgeschieden liegt und in dem es nur wenige Einwohner gibt. Sie verbringt die Nacht alleine in einem kleinen Zimmer, in dem es keinen Ofen gibt. Die Nächte sind bitterkalt, die Arbeit sehr hart, die Tage einsam. Auch wenn sie der Einblick in den Alltag der Olivenernte dennoch begeistert, Siegt am Ende die Einsamkeit. Sie entschließt doch mit nach Deutschland zurückzukehren. Als sollte es so sein, kann sie dank meinem Umbuchen nun doch mit mir und George gemeinsam zurückkehren. Die Freude ist groß, als ich Sie am Busbahnhof wieder begrüße.

Abgestempelt

 

Am 19. Dezember sind unsere Tage in Athen dann gezählt. Wir verabschieden uns herzlich von Oma und Opa und es geht mit zwei Stunden Verspätung per Fähre von Patras aus über das Ionische Meer und die Adria, bis wir am 20. Dezember nach 22h Stunden Überfahrt Ancona in Italien erreichen.

Von hier aus geht alles sehr zügig. Wir fahren mit nur einem Zwischenstopp am Komersee nach Deutschland. Am 21. Dezember erreichen wir gegen Mittag die deutsche Grenze. Hier bescheren wir einem Zollbeamten einen besonderen Arbeitstag. Unser Zolldokument 'Carnet des Passage' muss beim Zoll abgestempelt werden, damit wir unsere Kaution vom ADAC wiederbekommen. Nachdem die Angestellten zunächst ratlos um das Dokument stehen, rufen sie den ranghöchsten Mitarbeiter hinzu. Der ältere Mann staunt auch nicht schlecht und freut sich wie ein kleines Kind. "Dieses Dokument ist mir in meiner langen Laufbahn noch nie vor Augen gekommen!" Fröhlich schaut er sich mit uns George an, bewundert unsere Reise, stempelt unser Carnet und winkt freudig zum Abschied.

Nur drei Stunden später biegen wir in die Straße meiner Eltern. Langsam fahre ich auf den Parkplatz und drehe das Zündschloss. George dröhnender Motor kommt zum Stillstand. Eine kurze Zeit herrscht absolute Stille. Dann kommen meine Eltern voller Freude aus dem Haus auf uns zu. Ich öffne die Türe und wir umarmen uns. Da wir bereits 2020 einen Moment der Rückkehr hatten, wissen wir, was jetzt kommt. Man ist zwar Zuhause angekommen, den Moment kann man aber nicht so richtig greifen. Es wird fast ein halbes Jahr dauern, bis man sich an die Heimat und den Alltag wieder so gewöhnt hat, dass es sich auch so anfühlt.

9 Monate sind wir durch die Welt gereist. Wir haben uns in Italien den ersten Botanischen Garten der Welt angesehen, sind auf der türkisblauen Soca Kajak gefahren, haben in Bosnien-Herzegowina einen tiefen Bunker erkundet, waren in Albanien in einer eiskalten Quelle schwimmen, wurden in Griechenland von atemberaubenden Sonnenuntergängen ins Bett gebracht, sind in der Türkei einem wilden Bären begegnet, waren in Georgien im Kaukasus spazieren, sind in Armenien auf 3889m hinaufgestiegen, haben im Iran die freundlichsten Menschen der Welt kennengelernt und sind auf Zypern Aphrodites Geheimnis auf die Schliche gekommen. Gefüllt mit diesen tollen Erinnerungen und vielen neuen Freunden endet unsere Reise. Wir sind sehr dankbar und stolz auf uns.

gez. Alex

...hier siehst du unsere gesamte Route.


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Zypern - Aphrodites Geheimnis

Pssssst, hier kommt bald der nächste

Artikel, seid gespannt!


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