Eng zusammengedrängt sitzen wir zu fünft vor einem Kamin in einer kleinen Hütte und warten angespannt. Meine klitschnassen Schuhe und Socken stehen direkt vor der heißen Oberfläche eines Kamins und dampfen leicht. Die Hitze, die er ausstrahlt, ist kaum auszuhalten. Immer wieder müssen wir die Plätze tauschen. „Sollen wir noch einmal schauen?“ frage ich in die Runde. Aufgeregt stehen wir auf, gehen gebückt durch die niedrige, selbstgebaute Hütte bis zum Eingang und in die Dunkelheit hinaus. Der kreisrunde Tisch vor der Hütte, der eben noch mit Nüssen und Mandarinen gefüllt war, ist jetzt leer. Mit einer starken Taschenlampe leuchten wir in die Nacht. Nichts zu sehen. Mist, schon wieder haben wir ihn verpasst!
Morgenbesuch
Der Osten der Türkei empfängt uns nicht nur mit kaltem Wetter und rauer Natur, sondern auch mit seiner bunten Tierwelt. Kühe, die sich an Verkehrsschildern kratzen, hungernde Hundemütter mit kleinen Welpen und auch wilde Pelikane. Die Vielseitigkeit der Türkei kennt keine Grenzen und hat uns wieder direkt im Griff.
Wir befinden uns immer noch im Grenzgebiet. Kurz vor der Türkisch-Armenischen Grenze erreichen wir unser erstes Ziel. Ani ist die ehemalige Hauptstadt Armeniens und liegt seit 1920 auf Türkischem Territorium. Sie thront auf einem breiten Plateau. Dicht an der Stadt vorbei fließt in einer Schlucht der Fluss Achurjan/Arpaçay, der auch zeitgleich die Grenze zwischen beiden Ländern markiert. Rundherum finden sich die leeren Weiten der Hochebene wieder. Viel Steppe, Felsen, Berge und Einsamkeit. Wir suchen uns einen Stellplatz unterhalb des Plateaus in einer Schlucht. Umringt von unzähligen verlassenen Höhlenwohnungen in den Felswänden herum, wählen wir unseren Schlafplatz aus. Im Sommer wäre hier alles unter Wasser. Mit Hilfe einer Wasserwage suchen wir die perfekte Stelle, damit George gerade steht. Ein tägliches Ritual.
Am nächsten Morgen werden wir früh geweckt. Zuerst bellen Hunde, dann wird gepfiffen. Müde blicke ich aus dem Fenster. Ich sehe einen Bauer, der mit seiner Horde an Schafen, Ziegen und Kühen unterwegs ist. Sein Weg führt ihn jeden Morgen und jeden Abend durch diese Schlucht an uns vorbei. Ich schlüpfe aus dem Auto und er winkt aus der Ferne. Am zweiten Tag setzt er sich ganz nah bei uns auf einen Stein und Frühstückt. Während Eileen noch schläft, winkt er mich zu sich her. Er bietet mir von seinem Tee, Brot und Aufstrich an. Ich liebe solche Begegnungen. Obwohl wir uns nicht verstehen, sitzen wir dort und teilen den Moment. Als Dank hole ich ein paar von unseren Leckereien aus George und überreiche sie ihm. Nach kurzer Zeit verabschiedet er sich wieder und zieht mit seiner Herde von dannen.

Auch wir verdrücken uns nur kurz später aus der Schlucht, um uns das Unesco-Weltkulturerbe oberhalb der Schlucht anzuschauen. Ani gleicht eher einer Ausgrabungsstätte als einer Stadt. Nur noch wenige eindrucksvolle Gebäude sind erhalten. Alte Kirchen, Überreste von hohen Festungsmauern und einzigartigen Palästen. Zwischendrin immer wieder Wachtürme oder Stationen des türkischen Militärs. Lange war die Stadt für Touristen nicht zugänglich. Umso mehr freuen wir uns nun hier zu sein, auch wenn über den wahren, armenischen Ursprung der Stadt natürlich nicht berichtet wird.
Weißer Riese
Kurz darauf sitzen wir wieder in George. Immer weiter in Richtung Süden lautet die Devise. Wir fahren über triste Straßenabschnitte, als plötzlich am Straßenrand ein alter, klappriger Ford Transit steht. Entschlossen sage ich zu Eileen: „Die brauchen bestimmt Hilfe!“ und parke direkt hinter dem Auto. Ein alter Mann und seine Frau blicken uns verwundert, aber freundlich an. Google-Übersetzer erweist sich wieder als äußerst nützlich: Tatsächlich, sie benötigen Hilfe. Der Berg ist zu steil für den alten Transit. Mit wenigen Handgriffen sind beide Autos mit unserem Bergungsseil verbunden und wir ziehen den Transit samt Ladung, die unter anderem aus zwei Kühen besteht, den Berg hinauf. George präsentiert sich ausnahmsweise mal von seiner besten Seite. Ein kurzes Abschiedsfoto, dann geht es weiter.
Immer größer wird der Ararat, der höchste Berg der Türkei. Er strahlt eine ungeheure Ruhe aus, die vor allem Eileen in ihren Bann zieht. Immer wieder halte ich an, damit Sie ein Foto mit oder ohne George schießen kann, im Hintergrund erhebt sich immer der weiße Riese. Zu seinen Füßen warten mehrere Sehenswürdigkeiten auf uns. Zum einen ist da der Ishak-Pascha-Palast der Hoch in den Bergen thront und auf die Stadt Doğubayazit hinunterblickt. Leider bleiben an dem Tag, an dem wir ihn besuchen möchten, die imposanten Tore für uns geschlossen, denn es ist ein Nationalfeiertag. Wir begnügen uns also damit, den schönen Palast von außen zu bestaunen, sowie den Ausblick von hier oben zu genießen. Außerdem wartet ja noch ein besonderer Ort auf uns.