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Rückkehr ins Alltägliche

4 Monate ist es nun her, dass wir im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus überstürzt unsere Reise abbrechen mussten. Innerhalb von 18 Stunden durchquerten wir Ende März die Türkei und erreichten Bulgarien, bevor die Einreise mit einer Quarantäne von 14 Tagen verhängt wurde und die Grenzen letztendlich ausnahmslos geschlossen wurden. George mussten wir schweren Herzens am Flughafen in Sofia zurücklassen, da die Heimreise auf dem Landweg schon nicht mehr möglich war.

 

In Deutschland angekommen, ordneten wir unsere Möglichkeiten neu. Wir hatten keinen Job, keine Wohnung und kein Ziel mehr vor Augen. Wir hatten beim Start der Reise im Oktober 2019 alles gekündigt und zurückgelassen. Glücklicherweise ist man jedoch nie ganz allein, sodass wir die Möglichkeit bekamen in der Ferienwohnung eines Bekannten in meiner Heimatstadt zu wohnen, bis wir wüssten, wie es weitergehen sollte. Für drei Monate wurde diese Wohnung unser neues Zuhause. In den ersten Wochen erholten wir uns von den Strapazen des überraschenden Endes der Reise. Nicht nur körperlich, sondern auch emotional gab es einiges zu verarbeiten. Durch Berichte anderer Reisende merkten wir schnell, dass eine Rückreise die beste Entscheidung war, die wir treffen konnten. Viele steckten noch über Wochen und Monaten in den Ländern fest, durch die sie reisten und waren durch die Grenzschließungen und den jeweiligen Bestimmungen der Länder vom Rest der Welt abgeschnitten. Wir hatten es vergleichsweise gut getroffen. In den darauffolgenden Wochen meldete sich Alex ehemaliges Büro aus Bochum und bot ihm einen Arbeitsplatz an, woraufhin er drei Tage die Woche pendelte. Ich nutze die Zeit, um endlich meinen VW Bus weiter auszubauen und mich meiner Familie zu widmen. Es war eine unverhofft und wirklich schöne gemeinsame Zeit trotz Isolation und Abstandsregeln.

Am Ende der drei Monate wussten wir, es geht wieder zurück nach Bochum. Eine Wohnung für uns und eine neue Arbeitsstelle für mich waren schnell gefunden, doch bevor dieses neue Leben beginnen konnte, mussten die Dinge aus dem alten Leben geregelt werde. Das bedeutete: George musste nach Hause.  Jeden Tag verfolgten wir die Nachrichten und hofften darauf, dass wenigstens die Grenzen der EU wieder öffneten. Als die Tendenz zum 16.6. immer realistischer wurde, buchten wir einen vergleichsweise günstigen Flug und hofften inständig, dass dieser nicht, wie die vielen vorher, abgesagt werden würde.

 

Am 17.6. ist es dann endlich soweit. Der letzte Abschnitt unserer Reise beginnt. Wir steigen in ein komplett ausgebuchtes Flugzeug nach Sofia. Zwar besteht seit Betreten des Flughafens in Frankfurt die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken und den Abstand von 1,50m einzuhalten, doch auf beengtem Raum im Flugzeug ist dies kaum möglich. Im Flugzeug selbst müssen wir lediglich einen Zettel ausfüllen, der nach den wichtigsten Daten und Gründe unserer Reise fragt. Als wir dann endlich draußen auf dem Vorplatz des Flughafens in Sofia stehen und nach fünf Stunden endlich die Masken abziehen dürfen, können wir zum ersten Mal wieder durchatmen. Der Shuttlebus zu George ist bereits unterwegs und wir sind voller Vorfreude unseren lang ersehnten Gefährten endlich abholen zu können.

Eingestaubt aber noch mit allen Rädern begrüßte er uns. Übermütig packen wir unsere Reisetasche ein, nehmen die Isoliermatten von den Fenstern, nehmen auf dem Fahrer- und Beifahrersitz Platz und drehen die Zündung. Nichts. Wir drehen nochmal und bekommen nur ein Stottern zu hören. Georges Batterie muss nach der langen Zeit, in der er nicht gefahren ist, leer sein. Zum Glück haben die Parkwächter ein Starterset parat und kommen uns bereitwillig zur Hilfe. Da die Klemmen zu groß und das Batteriefach von George zu klein ist probieren wir es dann doch mit deren Auto und Starterkabeln. Wäre das Auto beim Verbinden der Batterien aus gewesen, wäre uns der Funkenflug in George erspart geblieben. Zum Glück hatten wir nicht unsere Finger mit im Spiel. Mit laufendem Motor und sichtbar erleichterten Gesichtern verlassen wir den Parkplatz und fahren gemeinsam in Richtung Serbien.

Soweit so gut.

 

Die erste Nacht wieder in George ist wie nach Hause kommen. Der Geruch, die Matratzen, der Ausblick vom Bett in die Natur. Wir sind glücklich.

Am nächsten Morgen fahren wir weiter zur serbischen Grenze, wo man uns direkt am ersten Häuschen herauswinkt. Laut einer Verkehrskamera haben wir angeblich unsere Mautgebühr im März nicht bezahlt. Grund für die Verwirrung ist, dass der Zollbeamte damals unsere Kennzeichen nicht mit Ü sondern U eingetragen hat. Nun sollen wir Strafe zahlen. Nach vielen Diskussionen wird uns klar, hier hilft uns keiner. Es fehlen die Befugnisse und das Verständnis für unsere Situation. Der ernstgemeinte Vorschlag des Beamten, dass wir zurück an die türkische Grenze fahren sollen, erscheint uns lächerlich und langsam merkt sogar der Zollbeamte, dass wir nicht lockerlassen. Auf das Verneinen der Frage hin, ob wir dieses Jahr nochmal nach Bulgarien einreisen möchten, gestattet er uns letztendlich die Ausreise. Wenn wir jedoch wieder einreisen und das Ticket noch aktuell ist, müssen wir die Strafe bezahlen.

Die Autobahn durch Serbien führt direkt an Belgrad vorbei. Ein Grund für uns hier kurz abzufahren und uns die Hauptstadt aus der Nähe anzusehen. Schon bei der Parkplatzsuche im Zentrum fällt uns auf, dass die Sprachbarriere hier größer ist als in Bulgarien. Serbien gehört nicht zur EU. Englische Übersetzungen der Straßenschilder suchen wir hier vergeblich. Selbst einige der Passanten, die wir um Übersetzung bitten, können uns auf Grund fehlender Englischkenntnisse nicht helfen. Es ist schließlich ein Kellner, der uns das Parksystem in Belgrad erklärt und uns ein Ticket über seine serbische SIM kauft. In der uns verbleibenden Stunde schlendern wir ziellos durch die Straßen, sehen Familien im Park sitzen, die Kinder spielen und trinken an den Trinkwasserstellen. Von den Schutzmasnahmen gegen Corona ist keine Spur. Selbst in den überfüllten Bussen sehen wir kaum einen Fahrgast mit Mundschutz. Nach einem Snack in einem kleinen Restaurant fahren wir weiter und passieren ohne Probleme die kroatische Grenze. 

Um halb 10 abends sollen wir laut Navi unseren Übernachtungsplatz an einem kleinen See erreichen, doch dann macht uns abermals unsere Freundin Corona einen Strich durch die Rechnung. Wir erhalten kurz vor Ankunft die Nachricht, dass Slowenien am nächsten Tag die Grenze für alle Reisende aus den Balkanländern schließen möchte. Also drehen wir um, fahren zurück zur Autobahn und die Nacht durch, bis wir nicht nur Kroatien, sondern auch Slowenien durchquert haben. Um 1 Uhr erreichten wir Graz in Österreich. Fünf Länder in 15 Stunden. Unser neuer Rekord. Wirklich darüber überrascht, dass sich die Situationen an den Grenzen noch immer so kurzfristig ändern, sind wir nicht. Am nächsten Morgen, nachdem ausführlichere Information veröffentlicht wurden, klärt sich die Situation. Lediglich der Transit durch Slowenien wurde für aus den Balkanländern kommende Reisende von 24 Stunden auf Zwölf Stunden reduziert. Wir hätten uns demnach den Stress nicht machen müssen, sind aber froh, Deutschland schon so nahe zu sein und nicht mehr auf die Einreisebestimmungen der verschiedenen Länder angewiesen zu sein.

 

Jetzt wird erstmal genüsslich bei Ikea gefrühstückt.

 

Anschließend fahren wir direkt nach Fischbach am Bodensee. Ein Parkplatz mitten im Naturschutzgebiet direkt am Ufer ist unser Ziel. Hier blieben wir für drei wirklich entspannte Tage. Endlich können wir bei dem tollen Wetter lange außerhalb unseres Wagens sitzen und das Campen genießen, ohne dass es zu kalt wird. Da wir damals im Oktober losgefahren sind, wurde es sobald die Sonne untergegangen ist, sehr ungemütlich draußen, wodurch wir gezwungen waren, viel Zeit auf engstem Raum in George zu verbringen. Jetzt, fünf Monate später, ist Sommer und wir können endlich bis tief in die Nacht die Zeit draußen in der Natur verbringen.

Gerne wären wir länger geblieben, aber die Arbeit ruft uns heimwärts. Mein neuer Job startet am 1. Juli und der Einzug in die neue Wohnung steht uns ebenfalls bevor.

 

Zum Glück ist George nun wieder daheim.

 

Langsam leben wir uns in Bochum ein, treffen nach langer Zeit unsere Freunde wieder und kommen an. Von der Hoffnung, die Reise erneut zu beginnen, werden wir uns nicht lösen. Von dem Geld, dass wir jetzt erarbeiten, werden wir den Neustart finanzieren und wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist, werden wir abermals alles hinter uns lassen und mit George in unser Abendteuer Seidenstraße aufbrechen.

gez. Eileen