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Von Istanbul nach Kappadokien

Nach ereignisreichen 4 Tagen in Istanbul verlassen wir früh morgens unseren Otopark. Unser Weg führt uns zur Çamlıca-Moschee, eines von Erdogans Großbauprojekten. Die Moschee bietet 63.000 Glaubenden Platz, besitzt eine Tiefgarage, Bibliothek, Museum und vieles mehr. Sie ist die größte Moschee der Türkei mit einer Hauptkuppel von 72 Metern Höhe. Der überspannte Raum ist riesig. Von der obersten Etage aus beobachten wir den Beginn eines Gottesdienstes ‚Ibada‘. Es sind nur wenige Menschen gekommen. Die Mosche ist nahezu leer. Um das Gebet nicht zu stören, beschließen wir weiterzufahren.

Über die Bosporusbrücke verlassen wir daraufhin endlich Europa und erreichen Asien. Wir folgen der einstigen Karawanenstraße nach Ankara und übernachten unterwegs nahe einem kleinen Ort. Beim Verlassen der Autobahn empfängt uns die erste Polizeikontrolle. Tatsächlich halten sie uns mehr aus Interesse an, fragen uns zu unserer Reise, gucken neugierig ins Auto und wünschen uns eine gute Fahrt.

Der Vorteil einer Reise wie dieser ist, ungebunden zu sein. Ankara wirkte bisher auf uns nicht interessant, weswegen wir eigentlich direkt nach Kappadokien weiterfahren wollten. Als wir jedoch nur 20 min von Ankara entfernt sind, sehe ich mir doch nochmal die Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Das Mausoleum von Atatürk Anıtkabir erregt mein Interesse. Nach etwas Überzeugungsarbeit ändern wir unsere Navigation und erreichen wenig später das Mausoleum. Leider sind wir zu spät. Um 16:00 Uhr ist Sperrstunde. Nach weiterer Überzeugungsarbeit überrede ich Alex, dass wir eine Nacht hierbleiben, um uns das Mausoleum am nächsten Tag anzusehen. Der Umweg wäre sonst umsonst gewesen. Wir finden spontan einen überwachten Parkplatz, der nicht weit entfernt ist und auf dem wir übernachten können und stellen George dort ab. Zu Fuß besichtigen wir eine weitere Sehenswürdigkeit. Im Stadtteil Hamamönü wurden ab 2009 historische Häuser im Stil des 19. Jahrhunderts restauriert. Auf uns wirkt dieses kleine Labyrinth aus wenigen Gassen jedoch wie ein Bergdörfchen. Aus Holz und Stein reihen sich die kleinen Häuser aneinander. 2011 hat die Europäische Kommission das Viertel sogar als „Auserlesene Destination Europas“ geehrt. Es ist interessant und für die Türkei sicher etwas Besonderes, aber wirklich begeistert sind wir nicht.

Auf unserem Rückweg entdecken wir eine kleine Markthalle mit frischem Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch. Gewürze und verschiedenste Nudelsorten können aus Säcken abgefüllt und gekauft werden. 1kg Sardienen kostet umgerechnet nur 1. Unglaublich.

Nach einer angenehmen Nacht auf dem Parkplatz fahren wir direkt zum Anıtkabir. Über den Park des Friedens mit verschiedenen Bäumen aus 24 Nationen, der sich vor dem Monument erstreckt,  gelangen wir zu einem breiten gepflasterten Weg, der von steinernen Löwen begleitet wird und zum zentralen Platz führt. Der Komplex bietet dem Besucher ein Museum über die glorreichen Taten und Kriegszüge Atatürks. Objektive Berichterstattung hingegen nicht. Während wir den Hauptraum mit dem symbolischen Sarg Atatürks besichtigen, werden die Wachen zeremoniell abgelöst. Als wir uns entschließen zu gehen, kommt plötzlich eine Frau auf uns zu. Sie ist Türkin, wohnt jedoch in Zürich und möchte unbedingt von uns (Touristen) wissen, ob wir von diesem Ort genauso begeistert sind wie sie. Dass uns die Zuschaustellung von Macht und Instrumentalisierung missfällt, sagen wir ihr nicht, sondern stimmen ihr freundlich zu und beschränken unsere Aussage auf die Architektur.

An die Türkei habe ich als mögliches Reiseziel eigentlich vorher noch nicht gedacht. Auch als wir die Route planten, hielt sich die Begeisterung über das Durchqueren dieses Landes eher zurück. Wir haben häufig von Militärkontrollen gehört und der Krieg gegen Syrien ist nicht unbedingt ein Pluspunkt. Nach einer Woche reisen in der Türkei hat sich das Gefühl geändert. Uns sind viele nette Menschen bereits begegnet und werden es noch. Die Preise für Lebensmittel und Diesel sind sagenhaft günstig und die Polizei und Jandarma sind sehr höflich und freundlich. Unsicher haben wir uns nicht gefühlt.

 

Der Weg nach Kappadokien bringt uns der Türkei noch ein Stück näher. Unterwegs verändert sich von Kilometer zu Kilometer die Landschaft. Wir fahren höher ins Gebirge, bis kaum noch Bäume wachsen. Die Landschaft wird karg und gleicht mehr einer Steppe. Wir halten kurz in einem Ort, um uns eine Kleinigkeit zum Mittag zu holen. Englisch versteht hier niemand mehr. Mit Händen und Füßen bestelle ich mir eine scheinbar vegetarisch Bohnensuppe und Alex sich Köfte. Wir werden von allen neugierig beobachtet. Endlich haben wir es weit in den Osten geschafft, dass sich ein Gefühl der Fremde einstellt.

Als wir jedoch Göreme, das Zentrum Kappadokiens, erreichen, ist dieses Gefühl so weit weg, als wäre es nie da gewesen. Göreme ist überschwemmt von Touristen, die haupsächlich aus Südkorea, China und Japan kommen. Sogar kulinarisch gibt es dem entsprechende Restaurants. Zum Glück finden wir außerhalb der Stadt in der Natur einen Platz und können dort übernachten. Erster Stopp ist jedoch erstmal ein Tourenguide. Er bietet Offroad-Touren im Defender durch den Nationalpark an und soll uns helfen das Quietschen los zu werden, dass uns seit Lamia immer wieder verfolgt. In Ankara waren wir bereits im Werkstatt-Distrikt und die hintere linke Bremse wurde untersucht, die Bremsklötze abgeschliffen und ein Quietschblech entfernt. Wir machen einen Termin mit ihm für morgen Mittag aus und fahren zu unserem Übernachtungsplatz im Freien.

 

Weiches Tuffgestein prägt den Nationalpark und formte über die Zeit Täler und Höhlen. Seitdem die Felsbauten in die Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen wurden, herrscht ein reger Strom an Touristen. Als Highlight unter vielen verschiedenen Angeboten gilt eine Heißluftballonfahrt beim Sonnenaufgang. Da uns 100-170 zu teuer waren, haben wir uns einen Platz oben im Red Velley gesucht, von dem aus wir das Spektakel beobachten können. Um 6 Uhr morgens klingelt seit langem mal wieder unser Wecker und wir holen Mütze, Handschuhe und Schal aus den Tiefen unseres Defenders. Kurz darauf starte im ganzen Nationalpark verteilt die Heißluftballons und fliegen direkt über uns vorbei. Eingemummelt beobachten wir das Spektakel und sehen uns beigeistert die verschiedenen Ballons über der großartigen Landschaft an.

Ganz ungestört sind wir jedoch auch hier nicht lange. Unser Platz ist die Endstation der Offroad-Tour. Mit viel Lärm, lauter Musik und Touristen im Gepäck heizen die Geländewagen durch das Gebirge und zeigen ihre Show. Nach 10 min ist das Spektakel glücklicherweise wieder vorbei, alle Autos sind weg und es kehrt wieder Ruhe ein.

 

Leider waren der Stress und die Aufregung der letzten Wochen etwas zu viel für mein Immunsystem, sodass ich verschnupft aufwache. Das frühe Aufstehen und das lange Stehen morgens in der Kälte hat mir den Rest gegeben, sodass ich den Vormittag in George verschlafe und meinem Körper etwas Ruhe gönne. Alex sitzt währenddessen draußen in der Sonne und unterhält sich mich unseren Nachbarn aus Hamburg. Sie sind im Februar mit ihrer umgebauten Mercedes G-Klasse losgefahren und wollen ebenfalls entlang der Seidenstraße fahren. Dass  diese zwei Menschen bald eine große Hilfe sein werden, wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.

 

Pünktlich zu unserem Treffen am Mittag mit der Werkstatt raffe ich mich auf. Wir packen alles zusammen und fahren nach Göreme. In der Werkstatt angekommen ist der Mechaniker noch nicht da und wir verschieben unser Treffen um eine Stunde. Wir beschließen, erstmal unser vergessenes Frühstück nachzuholen und bestellen die für die Türkei typische Frühstücksplatte mit selbsthergestellten Marmeladensorten, Honig, regionaler Käsesorten, einem Ei und Sigara Böregi, frittierte Teigröllchen mit Käse. Alles eigentlich für eine Person gedacht. Wir teilen uns die Platte, trinken frischgepresste Säfte und genießen die Sonne.

 

Da wir noch etwas Zeit haben suchen wir in der Stadt nach einer Wäscherei und werden über Google Maps findig. In einem Kiosk geben wir unsere Schmutzwäsche dem Angestellten und fahren zurück zur Werkstatt. Nach einer weiteren Viertelstunde ist der Mechaniker da und rollt sich direkt unter George. Für ihn sind ebenfalls die Bremsen die Ursache für das Quietschen, sodass nun der rechte hintere Reifen abgeschraubt wird, die Bremsklötze abgekantet werden, das Quietschblech entfernt wird und alles wieder zurückgebaut wird. Und tatsächlich werden wir auf der ganzen weiteren Fahrt kein Quitschen mehr hören. Für die Reparautur sollten wir 100TL (15€) zahlen, was für eine solche Arbeit nicht viel ist. Da wir jedoch in Ankara genau die gleiche Arbeit an der linken Bremse haben machen lassen und dort nichts zahlen mussten, erscheinen 100TL in einem anderen Verhältnis. Wir sind froh über die Gutmütigkeit der Werkstatt in Ankara und fahren wieder zurück zu unserer Anhöhe im Red Velley und lassen den Tag ausklingen.

Pünktlich um halb 8 geht das Spektakel von vorne los. Die Defender rollen an uns vorbei, und bringen die Touristen zum Aussichtspunkt, jedoch konnten die Heißluftballons aufgrund der zu starken Winde nicht in die Luft. Schnell suchen sich die japanischen Touristen ein neues Fotomotiv, die Defender. Sie klettern auf das Dach, posieren in verschiedenen Stellungen und tanzen zu der lauten Musik. Eine sehr übereifrige Japanerin hat sich George als Objekt der Begierde ausgesucht und versucht nun an unserem Ersatzrad hoch auf das Dach zu klettern, während Alex direkt danebensteht. Wir sind entsetzt über den fehlendem Respekt vor fremden Eigentum. Ungeachtet der Zurückweisung posieren die Japaner mit George. Erst als die Reisegruppe zurück fährt haben wir wieder unsere Ruhe.

Die nächsten Tage sehen wir uns den Nationalpark und die verschiedenen Museen in der Umgebung an. Es gibt ein Love Valley, in dem das Gestein sich über die Zeit zu riesigen Säulen geformt hat. In einem Nachbarort besichtigen wir einen zerstörten Berg, in dem viele Höhlen und eine Kirche gebaut wurden. Leider hat ein Erdbeben vor wenigen Jahren diesen Berg und damit den Anziehungspunkt für Touristen und die damit zusammenhängenden Existenzen zerstört. Nur noch wenige verirren sich hier her, obwohl es noch viel zu sehen gibt. Wir besuchen dort ein traditionelles Cave House und werden von dem Bewohner herumgeführt. Teppiche und Gardienen bringen Farbe und eine gemütliche Atmosphäre in die sonst dunklen Räume.

In einer weiteren Stadt (Uchisar) wurde der Berg nicht durch das Beben zerstört und wir können von der Spitze aus über die ganze Region sehen. Am Fuße des Berges treffen wir sogar auf unser erstes Kamel. Die Begeisterung lässt jedoch auf dem zweiten Blick nach. An einer kurzen Leine ist es angebunden und kann sich den ganzen Tag über kaum bewegen. Nervös wankt es vor und zurück. Wir haben erstmal genug der Attraktionen und es zieht uns abseits der Straßen. Am Anfang des Tages haben wir in einem Restaurant unsere schwarze Tonne mit Wasser gefüllt und sie den Tag über von der Sonne wärmen lassen. Jetzt nutzen wir die Abgeschiedenheit und duschen uns mit dem doch noch sehr frischen Wasser. Zum Glück wärmt die Sonne nach dem Duschen uns auf.

Nun steht nur noch eine Attraktion auf unserer Liste. Den nächsten Tag fahren wir zu dem Open Air Museum in Göreme. Ich hatte im Internet bereits tolle Bilder und Bewertungen gefunden und habe mich den ganzen Tag darauf gefreut. Die Freude wird jedoch direkt am Eingang gebremst. Der Eintritt soll pro Person 70TL (10€) kosten. Wir zahlen und gehen durch die Schranke. Das Museum ist bekannt für seine gut erhaltenen Kirchen, die in den Fels geschlagen wurden. In diesem Gebiet haben sich ab dem 9. Jhd byzantinische Mönche angesiedelt, die über die Zeit ein ganzes Areal bewohnten. Die damaligen Wohnhöhlen können wir jedoch wegen des starken Zerfalls nicht mehr besichtigen.  Für die am besten erhaltene Kirche müssen wir zudem noch einen extra Eintritt von 25 TL zahlen. Alles in allem eine große Ausbeute.

 

Zum Glück haben sich die starken Winde wieder gelegt. Die letzten Tage konnten wir leider nicht auf der Anhöhe übernachten, weswegen wir uns eher im Tal einen Platz gesucht hatten. Die letzten Nacht wollen wir nun wieder im Red Velley verbringen und noch einmal die Heißluftballons fliegen sehen. Es ist einfach wunderschön.

 

gez. Eileen