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Von Athen bis zur Grenze

Nachdem wir so lange ausgeharrt haben, kann es endlich weitergehen. Die Euphorie hat einen Hochpunkt. Wir sitzen in George, haben das Fenster auf und genießen den Fahrtwind im Gesicht, den wir so lange nicht spüren konnten.

 

Die nächsten 350 Kilometer fahren wir relativ zügig innerhalb eines Tages zu unserem nächsten Ziel, das wir uns schon oft ausgemalt haben: die schwebenden Klöster von Meteora. Nur einen kurzen Halt machen wir in Lamia, um abends zu essen. Wir erreichen unser Ziel spät in der Nacht, die Sonne ist bereits untergegangen. Die atemberaubende Natur, die sich in der Gegend auftut, können wir nur erahnen. Ein paar Felsen werden vom Tal aus beleuchtet, doch richtig erkennen können wir noch nichts. Unser kleiner Packesel George bringt uns sicher den Berg hinauf zu unserem Schlafplatz. Wir verbringen eine ruhige Nacht und können den nächsten Tag kaum erwarten.

Früh morgens werden wir schon wach und schauen uns von unserer Anhöhe um. Von hier aus kann man eines der Klöster erblicken! In einiger Entfernung thront es auf einem Felsen. Was für ein Anblick! Die Felsen sehen aus, als wären sie innerhalb der Jahrzehnte ausgewaschen worden. Ganz weich wirkt die harte Oberfläche. Wir vermuten, dass der Wasserspiegel einst am Hang der Felsen gestanden haben muss. Wir steigen in George und machen uns auf den kurzen Weg hinüber zum Kloster Agia Triada. Es steht samt Felsen in einiger Entfernung zu der Straße, die sich um den Berg schlingt. Von hier aus geht es zunächst bergab, um den Fuß des Felsens erreichen zu können. Ab da kommt man über eine beeindruckende Treppe, die in den Felsen gehauen ist, hinauf in das Kloster.

Am Eingang werden wir bereits erwartet. Drei Euro kostet die Besichtigung. Über eine schmale Treppe gelangen wir in eine kleine Halle, die gleichzeitig als Verteiler dient. Der Raum ist nicht sonderlich hoch, es gibt ein paar Säulen und Licht dringt nur über ein paar kleine Fenster hinein. Es entsteht sofort ein spirituelles Gefühl. Von hier geht es vorne links zu einem hellen, hölzernen Raum, der über den Felsen auskragt und einen großen Seilzug beinhaltet. Über diesen wurden früher Lebensmittel und andere wichtige Dinge vom Tal aus in das Kloster befördert. Weiter hinten in der Halle führt eine Treppe zu den privaten Bereichen, die nicht besichtigt werden dürfen und zu einem kleinen Kapellraum, dessen Wände mit schönen Fresken versehen sind. Die letzte Tür leitet in den Hof. Hier führt ein Weg durch kleine angelegte Flächen, in denen verschiedene Pflanzen angebaut werden, bis zu einem Kreuz am Ende des Felsens. Von hier aus bietet sich uns ein sagenhafter Ausblick auf den Ort im Tal. Auch wenn das Kloster von außen mehr hergibt als von innen, sind wir dennoch beeindruckt.

Wir überlegen uns, wie schwer es gewesen sein musste, die Klöster im 13ten Jahrhundert errichtet zu haben. Im Jahre 1344 wurde das erste Kloster gegründet. Die Region ist inzwischen Unesco Weltkulturerbe und von den 24 Klöstern und Eremitagen sind nur noch 6 bewohnt und lassen sich besichtigen. Wir besuchen insgesamt drei Klöster. Alle sind ähnlich aufgebaut. Im Kloster Agios Stephanos werden zur Zeit die Fresken in der Kapelle erneuert. Die Farben sind kräftig und das Gold glänzt beeindruckend. Der Arbeiter malt mit einem Pinsel die feinen Konturen der Geistlichen, die hier abgebildet werden. Im dritten Kloster, Megalo Meteoro, gibt es ein Museum, das die Geschichte der Klöster erzählt. Danach haben wir jedoch genug von den Gebäuden und setzen uns auf einen Felsen und beobachten die schöne Natur. Wir verbringen eine weitere Nacht in den Bergen und machen uns nach dem Frühstück daran, den schlangenförmigen Straßen ins Tal zu folgen, um diese bei unserem nächsten Ziel in 130 Kilometern wieder hinaufzufahren.

Der Ort, auf den wir zusteuern, hat eine sagenumwobene Geschichte. In den Mythen heißte es, es sei der Aufenthaltsort der antiken griechischen Götter. Na, schon erraten? Richtig! Es handelt sich um den Olymp. Der Olymp ist das höchste Gebirge Griechenlands und an der Spitze 2918 Meter hoch. Es verfügt über eine ganz eigene Flora und Fauna und steht seit 2014 im Rennen um den Titel Unesco Weltkulturerbe. Klar, dass wir uns das auf unserer Route nicht entgehen lassen. Bevor wir den Berg erklimmen, besuchen wir das Informationszentrum, das im Dörfchen Litorchoro, am Fuße des Olymp, liegt. Dort gibt es eine kleine Ausstellung über die Geschichte und Fakten. Hier erfahren wir auch einiges über die Wanderwege. Wir können mit dem Auto nach oben fahren. Dort erreicht man zunächst ein Kloster. Auf ungefähr 1100 Meter folgt dann der letzten Parkplatz, an dem sich ein Wasserfall befindet. Von dort aus wollen wir am nächsten Tag den Olymp bis zur Schneegrenze besteigen. Uns wird zwar gesagt, dass es zu dieser Jahreszeit schwierig sein kann, weit nach oben zu kommen, aber wir wollen es wagen. Die Nacht verbringen wir beim Kloster, nicht aber ohne vorher die kleine Kapelle zu besuchen, die 20 min entfernt wegen einer heilligen Quelle unter einen Felsen gebaut ist. Am nächsten Morgen werden wir von den ersten Sonnenstrahlen geweckt, frühstücken und fahren anschließend zum Parkplatz am Wasserfall. Außer uns ist hier keiner zu sehen. Endlich können wir wieder in die Wanderschuhe! Auch Handschuhe, Mütze und dicke Socken ziehen wir an. Während wir uns fertigmachen, werden wir von einem Hund freudig begrüßt. Dass wir in ihm eine Begleitung bis fast ganz oben gefunden haben, ahnen wir natürlich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

 

Wir brechen auf und die Hündin, die wir ‚Buddy‘ getauft haben, läuft voraus. Wir wandern an einem Fluss entlang, durch schöne Wälder und kleine Lichtungen, bis die Vegetation langsam nachlässt. Dort wird der Wald durch große Felsen ersetzt, bis wir den Schnee erreichen. Der Aufstieg ist sehr mühsam, doch wir wollen die erste Hütte, die den Wanderern Unterkunft bietet soll, erreichen. Irgendwann ist dann auch Buddy verschwunden. Normalerweise ist sie immer vorausgeeilt, um uns dann in 15min wieder freudig zu erwarten, doch jetzt ist keine Spur mehr von ihr zu sehen. Stattdessen gibt es hier oben nur noch Schnee. Wir stapfen weiter hoch und hoch, bis wir nach insgesamt 3,5 Stunden tatsächlich eine Hütte erreichen. Doch es ist nicht die Hütte, die wir suchen. Es ist nur eine kleine Hütte für Notfälle. Leider verliert sich ab hier der Wanderpfad im Schnee. Da wir wegen der Dunkelheit eh bald umkehren sollten und wir vorher gewarnt worden weiter nach oben zu steigen, entschließen wir uns, dass wir hier auf 1900m unser Ziel erreicht haben. Plötzlich hören wir Geräusche. Buddy ist es nicht, dafür aber zwei Deutsche, etwa in unserm Alter, die uns dicht auf den Versen gewesen sind. Wir genießen gemeinsam die atemberaubende Aussicht von hier oben, unterhalten uns kurz und machen uns wieder an den Abstieg. Dieser geht deutlich schneller als erwartet. In nur 1,5 Stunden sind wir wieder bei George und sind wirklich fertig von der Wanderung. Wir wollen eigentlich nur noch eins, duschen.

Wir suchen uns ein Schwimmbad in der Umgebung aus und fahren mit George den Olymp wieder hinab, direkt dorthin. Leider entpuppt sich das Bad als ein Ort, indem Kurse für Kinder angeboten werden. Duschen können wir hier leider nicht. Uns wird das öffentliche Schwimmbad in der Nähe empfohlen, doch auch da werden wir zurückgewiesen. Es sei nur ein Bad für trainierende Mannschaften. Warum wir hier nicht kurz Duschen können ist uns unklar. Wir fahren zurück zum ersten Bad und fragen noch einmal vorsichtig, ob wir Duschen können, wenn alle Kinder weg sind. Dies ginge nur, wenn wir den Eintritt für einen Kurs für Erwachsene in Höhe von 5€ bezahlen. Wir sind hin und her gerissen und überlegen auf dem Parkplatz, was wir machen sollen. Nach kurzer Zeit klopft es an der Scheibe. Wir werden auf Deutsch vom Besitzer Vassilis angesprochen. Er ist sehr freundlich und bietet uns an, zwischen zwei Kursen kurz unter die Dusche zu hüpfen. Wir sind sehr froh und nehmen dankend an. So kommen wir doch noch zu unserer Dusche und können in der Nacht entspannt ins Bett fallen.

Mit immer größeren Schritten nähern wir uns der Türkei. Unser letztes Ziel soll Alexandroupolis sein – eigentlich. Tagsüber fahren wir wieder durch und suchen uns gegen Abend einen Schlafplatz bei Olympiada aus, wo es einen Wasserfall geben soll. Leider müssen wir feststellen, dass die Straße durch Geröll blockiert ist. Kurzerhand stellen wir George ab und gehen den Weg zu Fuß. Weit wären wir eh nicht mit ihm gekommen, denn das Geröll ist nicht das einzige Hindernis. Die Straße hat tiefe Furchen und ist teilweise weggewaschen. Der Wasserfall ist schön, aber auch nichts Besonderes. Am Abend lesen wir die Nachrichten: Die Türkei hat die Grenze für die Flüchtlinge nach Griechenland geöffnet und die nördliche Grenze soll durch die Griechen schon geschlossen worden sein. Das passiert natürlich wiedermal genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir die griechisch-türkische Grenze passieren wollen. Zum Glück ist die südliche Grenze, über die wir in die Türkei fahren werden, noch offen. Wir schlafen eine Nacht über die Geschehnisse und fahren dann weiter nach Alexandroupolis. Es ist die letzte Große Stadt Griechenlands und liegt nur 30min von der Grenze entfernt. Erst im Abendgrauen kommen wir dort an. Am Tag darauf wollen wir die Stadt besuchen und dann endlich in die Türkei einreisen, doch am Morgen machen uns die Nachrichten einen Strich durch die Rechnung. Die Lage an der Grenze spitzt sich scheinbar zu. Militär und Polizei sollen im Großeinsatz sein und die Lage sehr heikel. Wir beschließen, so schnell wie möglich die Grenze zu passieren. Nicht, dass auch diese Geschlossen wird und wir nicht weiterkommen.

 

Also machen wir uns auf den kurzen Weg zu unserer ersten richtigen Grenze. Was wird uns dort erwarten? Kommen wir ohne Probleme durch? Die Aufregung steigt immer mehr, je näher wir auf die Türkei zufahren und das schöne Griechenland, indem wir so viele Erfahrungen gemacht haben, immer mehr zurücklassen. Schon sieht man die Schilder, die darauf hinweisen, dass nun die Grenze folgt. Im Geiste blicken wir noch einmal zurück, um dann auf ein neues Kapitel der Reise vorauszuschauen. Die Grenze erscheint vor uns.

gez. Alex